Backpacker-Paradies war einmal?
Nach unserem kleinen Zwischenfall gestern Abend, bei dem wir mehr oder weniger gewaltsam von einem Carpark vertrieben wurden, auf welchem wir die Nacht verbringen wollten, dachte ich mir, dass ich mal etwas über das ganze schreibe.
Neuseeland gilt bei vielen als DAS Ziel für Backpacker als aller Welt. Campervan kaufen – die Gegen erkunden – campen – und weiterfahren. So sollte es zumindest sein und so war es sicher einmal.
Vor 20 bis 30 Jahren hat das ganze wohl angefangen und es kamen auf diese Weise immer mehr Camper nach Neuseeland, die natürlich auch viel Geld hier ließen. Die Kiwis freuten sich über die Touristen und natürlich über die Einnahmen durch die Touristen. Eine besonders große Wirtschaft hat Neuseeland nicht, viele Leute ziehen nach Australien um dort zu arbeiten und so sollte man eigentlich meinen, sind die Neuseeland auf den Tourismus angewiesen.
Backpacker haben meist nicht viel Geld, wollen aber trotzdem eine relativ lange Zeit hier verbringen. Deshalb ist „Freedom Camping“ sehr beliebt, also das Campen in der Wildnis oder am Straßenrand. So gehen die Campingplätzen natürlich Einnahmen „verloren“ und viele Neuseeländer sehen es deshalb nicht gern, wenn Backpacker-Vans am Straßenrand stehen. Wir haben es schon zwei mal erlebt, dass Leute mit gedrückter Hupe mitten in der Nacht vorbeifahren, um die Schlafenden zu wecken. Einfach toll.
Ein bekannter Fernsehmensch (ich denke so etwas wie Harald Schmidt) in Deutschland ist Backpackern wohl extrem abgeneigt und zeigt das auch in seiner Sendung. Wie wir von einer Kiwi erfahren haben, gibt es Leuten den Tipp, bei Backpacker-Vans Brotscheiben rings ums Dach an der Dachrinne (über den Fenstern) zu verteilen um Ziegen und andere Tiere anzulocken, die die Schlafenden dann wiederum erschrecken und aufwecken sollen. Geht’s noch?
Wie wir außerdem von Einheimischen erfahren haben, spinnt die Regierung total, weil dieses Jahr die Rugby Weltmeisterschaft nach Neuseeland kommt. Wenn wir im Herbst abreisen, reisen dazu zig tausend Menschen an um hier die Spiele zu erleben. Für uns ist das wunderbar, da wir so den Van leichter verkauft bekommen.
Während dieser Zeit sind wohl Hotels und Campervans preislicht beim Doppelten bis Dreifachen des Normalpreises angesiedelt. Es werden extra für die ganzen ausländischen Fans, Straßenregeln geändert, damit sich dieses leichter in Neuseeland zurecht finden. Der Linksverkehr wird nicht abgeschafft, keine Sorge, aber eine Urtypische Regel, welche besagt, dass wenn zwei sich entgegenkommende Autos in die gleiche Straße einbiegen wollen, der Rechtsabbieger Vorfahrt hat. Es hat also der Vorfahrt, der auf der anderen Straßenseite steht. Die Regel ist total bescheuert, da der Linksabbieger seine Spur blockiert und ihn wiederum die Geradeausfahrenden überholen, sodass der Rechtsabbieger trotz der Tatsache, dass der Linksabbieger wartet, nicht abbiegen kann. Zumal der Linksabbieger (wie in Deutschland Rechtsabbieger, sprich ohne die Gegenfahrbahn zu queren) ganz einfach abbiegen könnte. Soviel mal zu dieser Regel. Auf jeden Fall wird sie abgeschafft, um Neuseeland den Touris anzupassen. Die Einheimischen finden das wohl doch etwas lächerlich.
Ebenfalls zur Rugby WM, wird durchgesetzt, dass „Freedom Camping“ in ganz Neuseeland verboten ist. Das wird als Gesetz eingeführt und auch nach der WM nicht rückgängig gemacht. Es bleibt also nur noch einer der teuren Campingplätze. 18 Dollar pro Person und Nacht ist wirklich viel, wenn man 100 bis 200 Nächte in Neuseeland bleiben möchte. Im Grunde wird das dadurch unmöglich!
Wie es scheint hätte Neuseeland zwar gerne noch Touristen, aber nur die, die auch ordentlich Geld lassen. Was dabei wohl übersehen wird, Urlauber bleiben zwei Wochen und geben in der Zeit zwar ordentlich Geld aus. Backpacker, die sechs oder mehr Monate bleiben, geben jedoch noch deutlich mehr Geld aus.
Ich denke, dass Neuseeland es sich durch dieses neue Gesetz (aktuell gilt es noch nicht) ziemlich mit den Backpackern verscherzen wird. Wir könnten und wollten und es sicher nicht leisten jeden Tag 36 Dollar für ein Stück Wiese zu bezahlen, wo man die Van parken kann, in welchem man dann wiederum schläft.
Alles in Allem geht es hier wohl mit den Backpackern eher Berg ab. Es wird sicher noch einige geben, die einfach nur auf Campingplätze fahren werden, die meisten können sich das aber sicher nicht leisten.
Eine weitere sehr seltsame Tatsache ist, dass man uns immer gesagt hat, man würde auf der Südinsel kinderleicht Plätze für die Nacht finden. Dem ist ganz sicher nicht so. Ganz im Gegenteil. Während es auf der Nordinsel die ganze Küste entlang Strände mit Parkplätzen, Toiletten und zum Teil sogar Duschen gibt, findet man auf der Südinsel meist nur „No Camping“, „No Caravans“, „No Fires“ und „Dogs on leash“ bzw. „No dogs“ Schilder.
Oft wird als Grund für „No camping“ angegeben, dass die Backpacker so viel Müll hinterlassen würden und da die Kiwis ja so auf ihr Land und den Umweltschutz achten, das einfach nicht geht.
Wir lassen sicher keinen Müll liegen und absolut alle die wir bisher getroffen haben, waren der gleichen Meinung und haben das auch so praktiziert. Kann mir auch nicht vorstellen, das wirklich viele Backpacker tatsächlich ihren Müll liegen lassen.
Ganz im Gegenteil dazu liegen wirklich viele Bierdosen auf den Straßen rum, leere Bierkarton und Mc Donalds Tüten. Und das in der absoluten NICHT-Backpacker-Saison. Seltsam!
Wir konnten in einer Stadt auch unseren Augen nicht glauben, als wirklich mitten in der Stadt, ein Pickup in eine Straße einbog, kurz stehen blieb, die Beifahrertür aufging, ein jüngerer Typ (Kiwi) den Kopf herausstreckte, sich kurz umsah, seine Mc Donalds Tüte einfach auf den Boden warf und die Tür wieder zuschlug. Der Pickup fuhr dann mit quietschenden Reifen davon. Geht’s noch?
Der Umweltschutz ist den Kiwis ja wohl sehr wichtig. Deshalb steht auch auf jeden Plastiktüte, dass man sie ja nicht wegschmeißen sondern entsorgen soll. Nur doof, dass man bei jedem Einkauf fünf bis 30 solcher Tüten bekommt. Top Umweltschutz.
Mülltrennung gibt es natürlich nicht wirklich auch Flaschen- oder Dosenpfand sucht man vergebens.
Sehr beliebt sind dagegen Autos mit 500 PS. Diese sind von diversen japanischen Herstellern hier wohl auch unglaublich billig zu bekommen. Allgemein stehen die Neuseeländer total auf asiatische Autos.
Auf absolut jeder etwas längeren oder etwas abgelegeneren Straße finden sich schwarze Striche über beide Fahrbahnen, die von durchdrehenden Reifen kommen. Auch das scheint hier sehr beliebt zu sein. Endlich mal die Reifen runter fahren und dabei über die gesamte Straßenbreite schlingern. Super cool!
Ich denke Neuseeland ist noch ein echt junges Land und die Menschen hier haben noch nicht so wirklich verstanden was sie gerne hätten und wie sie alles gerne hätten. Dadurch sind gewissen Dinge wohl etwas seltsam, bzw. amüsant.
Neuseeland ist ein mega cooles Land, die Landschaften sind super genial und die meisten Leute auch unglaublich nett. Dieser Blogeintrag fasst nur mal ein paar Dinge zusammen, die mir so aufgefallen sind, während unserer bisherigen Reise.
Wir stehen gerade in Riverton auf einer Wiese, wo ausdrücklich erlaubt ist zu campen. 🙂
Sebastian
Grüss dich Sebastian.
Ich verfolge deine Artikel regelmässig. Auch ein bisschen aus Selbstzweck, da wir im November für drei Monate mit einem Campervan durch NZ reisen. Deine Reiseberichte sind sehr sachlich geschrieben und haben dadurch einen grossen Wert.
Besonders der Nachstehende „Backpacker-Paradies war einmal“
ist bestimmt auch interessant für die KIWIS zu lesen. Ich rate dir daher mit diesem Artikel eine Zeitungsredaktion aufzusuchen und mit dem zuständigen Redaktor darüber zu Unterhalten. Tourismus ist für jede Region und jedes Land eine permanente Gratwanderung, daher glaube ich, dass dieser Spiegel zweifellos für die zuständigen Stellen diskutierbar ist. Umso mehr dieser Artikel nicht eine „schnodride Kritik“ sondern eine sachliche vernünftige Situation darstellt.
Grundsätzlich haben wir aber auch hier in Europa ein ähnliches Problem im Umgang mit Camper. Die Zeit der grossen Freiheit ist leider auch bei uns vorbei. Kommerzielle Interesse aber vor allem auch die Probleme mit dem Abfall und auch fehlenden Toilettenanlagen haben dazu geführt, dass wildes Campen immer mehr verboten wird.
Ich wünsche euch, eine gute Zeit, freue mich auf jeden Reisebericht und grüsse freundlich Kurt